14.08.15 – Besuch des Doms von Ribe und „ökumenische Diskussion“ an Bord
Heute Morgen bleiben die Frühaufsteher, die sich gegen 6 Uhr auf Deck einfinden, um den ersten Kaffee mit einer Meeres-Meditation zu genießen, nicht lang allein. Denn das Frühstück ist deutlich vorgezogen.
Wir fahren noch vor 7 Uhr im Hafen von Esbjerg ein, und bald schon beginnt der Landgang. Durch Wattenmeer-Landschaft kurven unsere neun Busse ins etwa 25 Kilometer entfernt gelegene Ribe, die sympathische aus der Zeit gefallene Kleinstadt mit gerade mal 8200 Einwohnern.
Wir besichtigen den berühmten Dom von Ribe zunächst ausführlich von außen.
Mein Blick bleibt an einem anmutigen Türgriff-Engel hängen und am Standbild Hans Tausens,der 1542 von Johannes Bugenhagen zum ersten evangelischen Bischof in Dänemark geweiht wurde.
Im Dominnern fasziniert mich eine rothaarige Maria mit einem ebenso rothaarigen Jesus, der zwar unverkennbar Sohn seiner Mutter ist, aber ebenso unverkennbar von ihr weg will. Am Tag vorher hatten wir noch gelernt, dass Mariendarstellungen in reformatorischen Kirchen des Nordens durchaus möglich sind.
10:30 Uhr: Frau von Oettingen, die Ortspfarrerin von Ribe, gibt uns vor der Andacht eine kurze Einführung. Uns zu Ehren predigt Bischof Westergard über eine kleine tragende Säulenfigur, unsere geistlichen Begleiter Käßmann und Wahl lesen die Psalmen 22 und 8. Wir danken mit großem Gesang. Entgegen katholischer Gewohnheit, aber ganz in lutherischem Sinne, singen wir sämtliche Strophen von „Lobe den Herren“, „Sonne der Gerechtigkeit“ und „Großer Gott, wir loben dich“. Hier und heute gibt es keine konfessionelle Zertrennung!
Zurück an Bord, stellen sich nach dem Mittagessen Margot Käßmann und Stephan Wahl, moderiert von Thomas Sternberg, Akademiedirektor und MdL, den Fragen der Bordgemeinde.
Ein Großteil der Gäste scheint nun tatsächlich ökumenisch diskutieren zu wollen – und wie spannend das sein kann, lese ich auch daran ab, dass meine Tochter diese Stunde lang gebannt zuhört. Was feiern Katholiken am Reformationsfest? Was ist Sünde? Wie ist Auferstehung zu verstehen? Wollte der historische Jesus üppige Kirchenbauten? Warum gibt es diese „Betonwand“ für Frauen im Amtsverständnis der katholischen Kirche? Trennt die Vorstellung der Jungfrauengeburt Marias Katholiken und Protestanten? Wie stellt sich die dänische Kirche zur restriktiven Politik ihres Landes in der Flüchtlingsfrage? Wann endlich ist das Thema Homosexualität „durchdiskutiert“?
Charmant und souverän wechseln sich die Reformationsbotschafterin und der Monsignore ab. Sünde ist Eingemauert-Sein in sich selbst. Der historische Jesus wollte wohl weder unsere barocken Kirchen noch Kirche als Institution, aber er wollte sicher Räume, in denen wir Gott loben und unseren Glauben leben. Erneuerungsbewegungen im Christentum hatten immer wieder „zurück zum Ursprung“, zurück zur Urgemeinde gefordert. Es geht um verantwortlich gelebte Sexualität und Beziehungen, nicht um die Frage Homo- oder Heterosexualität. „Über dieses Grab ist niemals Gras gewachsen“, schrieb einst der evangelische Theologe Heinz Zahrnt zu Jesu Tod – wir haben nur Bilder von Auferstehung, kein Wissen, aber hoffen, dass einst alle Tränen abgewischt sein werden.
Es wird ganz still im Raum, als Monsignore Stephan Wahl einer engagierten katholischen Dame auf die Frage nach dem Amtsverständnis in Bezug auf Frauen antwortet: Ja, in dieser Hinsicht sei er im Kopf auch evangelisch … Die Teamfähigkeit will er seiner Kirche aber nicht absprechen. Die Finanzchefin seines Bistums diskutiere und arbeite nicht nur kompetent, sondern auch auf Augenhöhe mit ihren männlichen Kollegen. Beeindruckend!
Beeindruckend auch, wie Stephan Wahl unseren Tag enden lässt: mit einer Lesung von Aljoscha- Geschichten, Gottes kleinem Lieblingsengel, dem Wahl etliche Bücher widmete; präsentiert mit wunderbarem Jazzrock von Daniel Paterok am Klavier im Palmgarten-Restaurant auf dem Oberdeck.
Dr. Elke Rutzenhöfer,
Geschäftsführerin Lutherisches Verlagshaus GmbH
Hannover