Lieber Farshad*,
meine Kinder sind, wie Du weißt, schon 18 Jahre alt. Wären sie Kleinkinder (Enkel habe ich leider noch nicht!), so würde ich über die Reise in den Iran Geschichten aus 1000 und einer Nacht erzählen. Jeden Abend eine neue Begebenheit aus Teheran, Schiraz, Yasd und Isfahan; Städte in denen wir jeweils übernachteten und uns umsahen.
Ich würde von den Gerüchen des Orients (Gott sei Dank habe ich Pistazien in Nougat eingelegt mitgenommen, sonst hätte es zu Hause grundsätzlich Ärger gegeben) in den engen, verwinkelten (manchmal auch sehr dunklen!) Bazaren erzählen, in denen sich an jeder Ecke neue Abenteuer ergeben und Abenteurer sich hätten einstellen könnten. Gerade in den dunkelsten Stellen halfen uns aber dienstbare Geister weiter, ohne uns in die Taschen zu greifen. Als Weltreisendem ist dies eine ungewohnte Erfahrung in islamischen Ländern und eine um so erfreulichere Konzentration auf die direkte Umgebung. Und die hat es in sich!
Wer sich an die in Deutschland gewöhnliche Größe eines „Kaufhofes“ orientieren will, der hat in einem orientalischen Bazar nichts verloren. Man betritt einen (alten) Bazar ebenerdig und merkt sehr schnell, daß es zu Verzweigungen kommt. Spätestens hier wirkt der Europäer etwas hilflos, da er nicht weiß, wohin ihn der Weg führen wird.
Das Schicksal spielt grausam mit ihm, wenn er plötzlich erfährt, daß auch noch Treppen nach oben und nach unten in unschierbare, nein, nicht Verließe, sondere weitere Ebenen führen, welche ebenfalls mit ungewöhnlichen Verkaufsständen auf sich aufmerksam machen wollen. Der Blick auf die Uhr zeigt, noch zwanzig Minuten. Aber die vor einem sich ausbreitende Welt ist geradezu unermeßlich.
Ich würde berichten von den wunderschönen, ins monumentale reichenden Moscheen und Mausoleen mit ihren großen sich nach außen öffnenden Iwanen, architektonisch im Innern durch die Mukarnas-Technik vollendet (Fließender Übergang von einem quadratischen Raum zur Rundung der Kuppel), den meist mosaikartig ausgeschmückten Decken und Wänden.
Kühlende Wasserspiele in Schatten spendenden Parkanlagen erleichterten den in Kultur getriebenen Reisenden bei der unerschöpflichen „Arbeit“, viele Momente im Bild festzuhalten.
Lieber Farshad, noch immer habe ich Deine Lesungen von den auch in Europa bekannten persischen Dichtern, die schon Goethe so gerne interpretierte, in den Ohren, in denen Du uns Zeitreisenden in persischer Sprache u.a. Saadi und Hafis näherbrachtest. Beim Besuch des Grabes von Letzterem durften wir eine regelrechte Wallfahrt vielfach junger Iraner(innen) erleben in einem belebten Park zu spätabendlicher Stunde, in dem uns an der einen oder anderen Stelle Verse von Hafis (auch musikalisch unterlegt) zu Gehör gebracht wurden.
Ich würde die frischen, zuckersüßen Datteln genauso erwähnen wie die auf Eis gelegten Melonen verschiedenster Provenienz, welche für die notwendige Energie sorgen, einem Neugierigen einen heißen, aber ereignisreichen Tag zu ermöglichen, ihn hiermit aber auch zu beenden.
In einem prosperierenden Land (nach der Aufhebung der westlichen Sanktionen) seien zuletzt nicht die meist jungen Iraner und Iranerinnen vergessen, mit denen wir so viele freundschaftliche und intensive Gespräche führen durften. Hier ging es (für uns Europäer ungewöhnlich, aber wohlweißlich) nie um Politik, sondern um reine (jugendliche) Neugier, um das zu erahnen und zu erhoffen, was zur Zeit im eigenen Land noch nicht möglich ist.
Hier war immer wieder der Wunsch herauszuhören, daß es mit der Zeit zu Veränderungen kommen werde. Wie ein Land, welches vielfach unter Wassernot leidet, erhofft man sich, daß der „ewige Tropfen der Erneuerung und Wandlung“ zu Veränderungen führen wird. Inschallah, so der Herrgott es will!
Richard Weiskorn, Aachen
Gruppenverantwortlicher der Iran-Studienreise
mit dem Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen
*Farshad war unser Guide während der gesamten Reise, welcher uns umsichtig und sehr kompetent den Iran näherbrachte.
PS: Ein Land grundsätzlich ohne Alkohol-Genuß! Auch in Shiraz keinen Wein! Ein Wagnis, eine Herausforderung für einen CVer? Ein Mitreisender meinte, daß die Welt, „nüchtern“ betrachtet, auch wunderschön sein kann!