„Geh deinen Weg vor mir, und werde ganz“ (Gen 17,1) war das Motto eines intensiven Reiseerlebnisses nach Jordanien im Oktober 2022. Mit offenen Armen wurden wir kurz vor Mitternacht auf dem Flughafen von Amman von der jordanischen Partneragentur von „Biblische Reisen“ empfangen – waren wir doch die erste deutsche Reisegruppe seit langen. Fotos wurden gemacht, strahlende Gesichter bei den Verantwortlichen und eine selbst für jordanische Verhältnisse außergewöhnliche Fürsorge nahm uns geradezu in die Arme. Wir merkten gleich, dass sich die pandemiebedingte Hängepartie im Vorfeld dieser Reise auszahlen würde: Zweimal musste sie verschoben werden, und dann die Hürden mit Impfung, Test, jordanischem Einreisezertifikat. Biblische Reisen stand uns bei und nun dieser Empfang! Überall in Jordanien spürten wir ein herzliches Willkommen – der Tourismus lag am Boden und noch immer waren Hotels und vor allem die Besichtigungsorte nur rar besucht, was uns natürlich recht war. Dennoch kam uns die sprichwörtliche Freundlichkeit der Jordanier nie aufdringlich entgegen, besonders in der Begegnung mit Beduinen und in den von ihnen geführten Einrichtungen. In deren traditionellen Zelten empfing uns oft eine warmherzige, natürliche Gastfreundschaft.
In den frühen Morgenstunden kamen wir in unserem ersten Quartier am Toten Meer etwa 400m unter dem Meeresspiegel, am tiefsten Punkt der Erde an. Mit einem Gute-Nacht-Imbiss in der Hand bezogen wir unsere Zimmer für die nächsten vier Nächte. Am nächsten Morgen staunten wir nicht schlecht bei dem Blick auf unseren Balkonen über unser schönes Quartier mit dem einladenden Poolbereich und dem Panorama des Toten Meers bis hinein in den israelischen Negev. In der Ferne konnte man auf der Höhe Jerusalem erahnen. Von hier aus eroberten wir wichtige Besichtigungspunkte im Norden Jordaniens. Zunächst ganz in der Nähe die Taufstelle und die Gegend, in der Johannes der Täufer und der Prophet Elija in Einsamkeit gelebt haben.
Weiter fuhren wir auf den Berg Nebo, wo es Moses kurz vor seinem Tod nach 40 entbehrungsreichen Jahren auf der sog. „Wüstenwanderung“ vergönnt war, noch einen Blick ins „Gelobte Land“ zu werfen. Wir schauten über die Jordanebene hinunter auf Jericho und hinauf in der Ferne auf die Silhouette von Jerusalem. Dann ging es nach Madaba – die byzantinisch geprägte Mosaikstadt, von der einige von uns hinterher behaupteten, dass es dort den besten türkischen (arabischen) Kaffee der ganzen Reise gab. Auf jeden Fall sollte man immer wieder die Gelegenheit nutzen, dem Zeremoniell einer Kaffeezubereitung beizuwohnen und niemals leichtfertig einfach einen („amerikanischen“) Kaffee bestellen.
Auf dem Programm der nächsten Tage standen die berühmten Besichtigungsstätten Gerasa und Gadara, die auf keiner Jordanienreise fehlen sollten und ein ganztägiger Ausflug zu den Wüstenschlössern.
Nach vier Nächten am Toten Meer dann Quartierwechsel für drei Tage in unser wunderschönes Resort „Old Village“ in Wadi Musa (Tal des Mose), dem Tor zum Weltkulturerbe, der Nabatäerstadt Petra, Highlight jeder Jordanienreise. Auf der langen Busreise dorthin wurde uns nicht langweilig. Die sog. „Königsroute“, die alte Seidenstraße, führte durch atemberaubende Landschaften, wo zudem unser Busfahrer Mohamed sein ganzes Können unter Beweis stellen konnte – schnell und sicher. Mehrmals machten wir Halt und konnten uns gar nicht satt sehen an den Schönheiten der Natur. Nur zu gern wären wir hinabgestiegen in das Wadi Muyib oder in das Dana Naturreservat zu einer ausgiebigen Wanderung! Auf dem langen Autobahnstück zwischendurch unterhielt uns zum ersten Mal unser Geschichtenerzähler Klaus mit Erzählungen aus dem Alten Testament über Abraham und seiner Frau Sarah: Wie plötzlich drei ungewöhnliche Gäste vor ihrem üppigen Beduinenzelt standen und ihnen beim Gastmahl unglaubwürdige Dinge prophezeiten: „soll ich in meinem Alter noch Liebesglück erfahren?“ Wir fühlten uns selbst in ein solches Zelt versetzt bei dem theaterreifen Erzählstil von Klaus. Es sollten später noch viele Geschichten folgen, wie z.B. auch die über Lot und seiner am Fuß des Toten Meeres zur Salzsäure erstarrten Frau, weil sie – an der Vergangenheit hängend – nach Sodom und Gomorra zurückschaute statt nach vorn in das neue Leben. Oder die über seine beiden Töchter, die sich mangels Männer nachts zu ihm legten, nachdem sie ihn betrunken gemacht hatten. So entstanden seine beiden Enkel Moab und Ammon, die beiden Stammväter der Moabiter und Ammoniter – daher der Name der Hauptstadt Jordaniens Amman! Alles Szenen, die sich am Rande der Straßen, die wir befuhren, abgespielt haben sollen.
Der erste Tag in Petra war für alle überwältigend. Höchst sachkundig geführt von unserem jordanischen Guide Fathi aus Amman – im Hauptberuf Geologe mit Studium in Münster – zogen wir durch den berühmten Canyon (Sik genannt) zum sog. „Schatzhaus des Pharao“. Dessen Bild ist in allen Jordanien Reiseführern an prominenter Stelle zu finden. Abenteuerlich und anspruchsvoll dann die Tour hinauf zum Opferplatz. Dort oben fantastische Blicke über die alte Felsenstadt in den leuchtenden Farben des Wüstensandsteins bei einem Glas Tee mit Minze – von Beduinen auf offenen Feuer zubereitet. Beeindruckend dabei die Schilderungen Fathis zur Geschichte dieses geheimnisumwobenen Beduinenvolkes, dass Jahrhunderte lang den Handel in ganz Arabien beherrschte. Erschöpft von langer Wanderung und zurück in unserem Quartier „Old Village“, in das wir uns alle gleich regelrecht verliebt hatten – Erholung am Pool und bei einem schönen Essen in anheimelnder Atmosphäre. Am nächsten Tag bevorzugten viele von uns eine entspannte Gestaltung, einige nur am Pool mit kleinen Spaziergängen im „Dorf“ mit seinen gepflegten Gartenanlagen, andere mit Museumsbesuch und gemütlichem Gang durch den Sik und zurück. Die Hälfte unserer Reisetruppe zog aber wieder hinauf auf die die Ruinenstadt umgebenden Berge zum sog. Kloster. Dort suchte jeder für sich ein Plätzchen – wieder mit überwältigenden Blicken in die Wüsten-/Felsenlandschaft – , um für eine zeitlang in die Stille zu kommen. Nicht genug von Petra konnten einige von uns bekommen, die sich abends noch einmal auf den Weg durch den Sik machten. Eine stimmungsvolle Lightshow mit dem Motiv „Frieden in der Welt und zwischen den Völkern“ erwartete sie. Sie kamen sichtlich bewegt und mit Kalenderblatt reifen Fotos zurück ins Resort.
„In die Stille kommen“ war eigentlich die Absicht unserer Reise für den nun folgenden Aufenthalt im berühmten Wadi Rum – dort, wo Laurence von Arabien Anfang des 20. Jh. die verschiedenen Beduinenstämme zu einem gemeinsamen Aufstand gegen die osmanische Herrschaft bewegen konnte mit dem Ziel eines arabischen Großreichs. Wunderschön war die Zeit: Jeep Touren am Mittag und am Abend (Sonnenuntergang!) durch die vielleicht schönste Wüstenlandschaft der Welt, Quartier in einem Beduinencamp mit entsprechend traditioneller Küche vom offenen Feuer, unglaubliche Stimmungen im Wüstenlicht am Abend und am Morgen usw. Die erwartete große Stille: Zeit für Meditation, Kontemplation in der Wüste mit vorbereiteten Texten zur Einstimmung, blieb jedoch auf der Strecke. Stattdessen erlebten wir ein arabisches Ausflugswochenende in die Wüste, die die einheimischen Araber nun einmal genauso schön finden, wie wir. Und das war so auch ein Erlebnis, an dem wir fröhlich gestimmt teilnahmen.
Der Reiseabschluss war mit zwei Tagen in einem schönen Hotel mit Privatstrand in Aqaba am Roten Meer geplant: Ausruhen und Nachsinnen am Strand, schnorcheln im azurblauen, glasklaren Wasser zwischen den buntesten Fischen und riesigen Schildkröten am Meeresgrund. Nur gingen pandemiebedingt die Flieger der Jordanien Airlines nicht so, wie wir wollten. Und so mussten wir einen Tag eher mit dem Bus zurück durch ganz Jordanien nach Amman. Aber den einen Tag und die eine Nacht hier in Aqaba haben wir in vollen Zügen genossen: Nach dem Baden und Tauchen eine tolle Mittagsfischmahlzeit gehabt, abends auf dem kleinen Suk uns mit Nüssen, Gewürzen und Kaffee eingedeckt und das arabische Flair genossen, um dann hoch oben auf der Hoteldachterrasse den Tag in die Nacht hinein ausklingen zu lassen – bei gepflegter Livemusik mit Blick über das Rote Meer nach Israel und Ägypten auf der rechten Seite und nach Saudi Arabien auf der linken.
Die lange Autobahnfahrt nach Amman am nächsten Morgen gestaltete sich kurzweilig. Wie immer begann die Busfahrt nach einem gemeinsamen Lied aus dem kleinen Liederbuch von Biblische Reisen mit einem spirituellen Impuls. Fathi gelang es, uns mit seinen lebendigen Vorträgen über das gesellschaftliche und familiäre, arabisch geprägte Leben in Jordanien wachzuhalten, während unser Geschichtenerzähler Klaus weitere Erzählungen aus dem Alten Testament beisteuerte – oh Wunder, wie sich das ergänzte! Viele heute gepflegte Traditionen im öffentlichen und familiären Raum haben ihre Wurzeln im Alten Testament – Texte, die bei Muslimen, Juden und Christen gleichermaßen hohen Wert haben. Das Bewusstwerden der gemeinsamen Wurzeln war für uns eine wichtige Erfahrung auf dieser Reise.
Der ursprünglich nicht geplante Aufenthalt in der Hauptstadt Amman hat sich gelohnt. Nicht nur, weil wir am Ende in dem neuen Hotel International Amman in gepflegter Restaurantatmosphäre mit sehr angenehmer und zuvorkommender Bedienung ein tolles Abendessen bekamen – es war wohl die beste Küche auf der Reise! Der halbe Tag in dieser lebendigen Stadt kam uns vor, wie ein ganzes Wochenende – dank der wundervollen Führung durch das Alltagsleben von Amman durch Fathi, der hier in seiner Heimatstadt richtig zu sprühen begann. Am späteren Abend bei der Schlussrunde zeigten sich dann alle sehr beglückt und bereichert durch die Reise. Und so stand am Ende natürlich die Frage: „Wohin fahren wir das nächste Mal?“
Gastautor: Jochen Deitert, vom 24.09. – 04.10.2021 mit einer Reisegruppe unterwegs in Jordanien