Auch ich hatte einmal das Bedürfnis so richtig auf dem Pilgerweg zu laufen, nachdem ich viele Jahre den Camino mit dem Bus bereist habe, und lediglich kleinere Spaziergänge unternommen habe. Sehnsüchtig habe ich oft die gelben Pilgerpfeile verfolgt, und mir gewünscht, es den vorbeiziehenden Pilgern gleichzutun.
Jakobsmuschel
Es ist kaum noch auszumachen, ob es beim Bewältigen des Weges noch ums Pilgern geht, ob oder es sich hierbei um ein rein sportliches Vergnügen handelt, welches auf jeder anderer Strecke der Welt ebenso gut absolviert werden könnte. Nun fand ich mich umgeben von singenden italienischen Männergruppen mit Bollerwagen, die eher den Charakter eines Vatertagsausfluges oder Junggesellenabschiedes hatten, als denen einer meditativen Pilgergruppe. Die unzähligen Mountainbikefahrer, die mich mit lautem Getöse überholten, taten ihr Übriges. Selbst die sonst herumstreunenden, herrenlosen Hunde, vor denen Pilger immer wieder Angst haben, hatten sich verschreckt zurückgezogen.Trotzdem war es ein schönes Erlebnis, denn dieser Abschnitt des Weges verläuft direkt durch Galicien, und das ist hügelig und grün und erinnert an unsere Mittelgebirgslandschaften. Wenn man dann erschöpft am Tagesziel ankommt, sein kleines und bescheidenes Hotel bezieht, fühlt man sich, als wäre man alleine auf dem Weg. Zum Tagesausklang noch ein Gläschen Rotwein in einer der zahlreichen Bodegas, noch ein letzter Blick in den Reiseführer und dann ins Bett.
Santiago de Compostela
Als ich dann nach gut einer Woche und um 5 Pilgeretappen älter, Santiago de Compostela erreicht habe, habe ich mich gefühlt wie eine Große, obwohl ich nur einen Bruchteil des Weges gelaufen bin. Der eigentliche Pilgerweg beginnt ja laut ursprünglichem Pilgergedanken zu Hause, und auch der Weg ist bekanntlich das Ziel. Ich für meinen Teil habe erfahren, dass das Alleinreisen einem unendlich viele Freiheiten gibt. Die Freiheit dem eigenen Rhythmus zu folgen, seinen Gedanken nachzugehen, mit anderen in Kontakt zu kommen, aber sich auch immer wieder distanzieren zu können.Trotz der Anstrengungen wäre ich wieder bereit für eine neue Strecke auf dem Weg, allerdings das nächste Mal definitiv in einer anderen Jahreszeit!