Wir sind bereits den dritten Tag in Kairo, als wir nach Maadi zu den Borromäerinnen kommen.Mit „wir“ ist eine 35-köpfige Reisegruppe unter der Leitung von Diakon Adrian Koczy aus dem pastoralen Raum Lippe West gemeint, die sich vom 14. – 21. März auf die Spuren von Kultur und Geschichte des alten und neuen Ägyptens begeben hat.
Am Nachmittag des dritten Tages steht also der Besuch bei den Schwestern auf dem Programm. Bis dahin durften wir schon viel von Kairo sehen und erleben. Und ganz nebenbei haben wir einen Eindruck von der Lebensumgebung der Kairoer erhalten. 20 Millionen Menschen drängen sich in dieser Metropole am Nil unter für uns unvorstellbaren Bedingungen. Obwohl wir sicher in unserem Bus gefahren werden, lässt allein der Anblick des Verkehrs unseren Adrenalinspiegel steigen: ein einfaches Motorrad dient fünf Personen als Familienkutsche, Paletten, die bei uns einen LKW mit Anhänger füllen, passen dort auf einen Kleintransporter und eine 8!-spurige Autobahn wird bei Bedarf auch 13!-spurig genutzt – und natürlich alles begleitet von lautem Hupen und/oder wildem Gestikulieren.
Mit diesen Eindrücken behaftet fahren wir in den Kairoer Stadtteil Maadi.
Vor uns öffnet sich das Tor, das das von den Schwestern bewohnte und bewirtschaftete Areal umgibt und wir meinen, uns in einer anderen Wirklichkeit wiederzufinden. Wir werden bereits erwartet und von der Oberin Sr. Petra auf das herzlichste willkommen geheißen. Ihre Mitschwester Sr. Regina berichtet lebendig und anschaulich von der wechselvollen Geschichte des Ordens im Land am Nil.
Bereits seit 1882 gibt es Borromäerinnen in Ägypten, zunächst in Alexandria, wo auch heute noch eine deutsche Schule und ein Altenpflegeheim unterhalten werden, ab 1913 auch in Kairo. Das Mutterhaus befindet sich bis heute im Kloster Grafschaft im Sauerland in Deutschland.
Zur Zeit leben im Konvent in Maadi sechs Schwestern – die, wie Sr. Regina voller Stolz berichtet, alle einer Großfamilie entstammen. Alle waren zur Ausbildung einige Jahre im Mutterhaus in Deutschland und beherrschen ausgezeichnet die deutsche Sprache.
Sr. Regina erzählt von Nachwuchsproblemen, wie sie überall anzutreffen sind. Allerdings zeigt sie in ihrer frohen und pragmatischen Art dafür wenig Verständnis: „Es gibt so viele unverheiratete Frauen, die könnten alle zu uns kommen und bei uns eine erfüllende Aufgabe und eine neue Familie finden!“
Doch die Existenz der Niederlassung schildert sie auch als Wunder. Im Laufe der Jahre und der Weltkriege gab es immer Zeiten, in denen Orden und besonders Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit Ägypten verlassen mussten – nicht so die Borromäerinnen in Maadi. Selbst die Unruhen in Kairo ab 2011 hat der Konvent unbeschadet überstanden.
Heute werden von den Schwestern und einigen Mitarbeiterinnen, die aus der Nachbarschaft stammen, insgesamt 120 Jungen und Mädchen im Kindergarten- und Vorschulalter betreut, unabhängig von ihrer Konfession und ihrer Muttersprache. In der Einrichtung wird nur Deutsch gesprochen. Ziel ist es, die Kinder im gegenseitigen Respekt auf einen guten Start in der Deutschen Schule (DSB) in Kairo vorzubereiten. Bei unserer Führung durch die Anlage sehen wir, dass die Bemühungen der Schwestern weit über diesen Anspruch hinausgehen. Neben den für Kinder üblichen Spielgeräten gibt es Volieren und kleine Gehege für verschiedene Vogelarten, Meerschweinchen und andere Tiere, ein Bassin mit Wasserfall und überall Bäume, Sträucher und vor allem Blumen. Sr. Reginas Kommentar: „Die Kinder müssen doch die Möglichkeit haben, Natur und Tiere zu erleben, sie müssen doch in einem schönen und gepflegten Umfeld heranwachsen können.“
Überall treffen wir auf Beispiele, wie mit geringen finanziellen Mitteln, einfachen Materialien, aber handwerklichem Geschick etwas wirklich Großartiges geschaffen werden kann, sowohl im Außenbereich als auch in den Gruppenräumen, die sich in den Gebäuden ringsherum befinden.
In einem zweiten Aufgabenschwerpunkt kümmern sich die Schwestern in Maadi um die Ärmsten der Armen, vor allem um diejenigen, die sich keine medizinische Versorgung leisten können. Hinter dem Gelände für die Kinder werden wir vorbei an einem großen Nutzgarten zur Krankenstation geführt. Im Gebäude selbst befinden sich neben dem Arztzimmer mehrere Untersuchungs- und Behandlungsräume. Bei dem, was wir nun zu sehen und zu hören bekommen, erfüllt uns ein großes Staunen und eine zunehmende Demut. Die Krankenstation dient der ambulanten Notfallversorgung. Zwei der Ordensschwestern sind als medizinische Fachkräfte ausgebildet. Gemeinsam mit angelernten Helferinnen aus der Bevölkerung und zwei Ärzten versorgen sie an fünf Tagen der Woche jeweils zwischen 300 und 500 Kranke und Verletzte. Es kommen Patienten mit Verbrennungen und kleineren Verletzungen, aber auch Erkrankungen, die durch Parasiten, mangelhaft mögliche Hygiene oder unzureichende Ernährung verursacht werden.
Und das alles wird in Räumlichkeiten behandelt, die zwar blitzsauber sind, von der Ausstattung her aber an eine Praxisausstattung im Deutschland der Nachkriegszeit erinnern. Ein Blick in den Medikamenten- und Materialschrank zeigt uns einmal mehr die große Bedürftigkeit. Und trotzdem ist das, was die Schwestern den Patienten hier bieten können, oft die einzig mögliche Hilfe, denn sie erfolgt für einen lediglich symbolischen Kostenbeitrag, der bei entsprechender Bedürftigkeit manchmal auch noch erlassen wird.
Noch erfüllt von dieser Menge an Informationen und Eindrücken dürfen wir gemeinsam mit den Schwestern in der Konventskapelle die Heilige Messe feiern. Wir sind als Besucher, als Fremde gekommen, und doch fühlen wir uns in diesem Moment als Gemeinschaft. Zum Abschluss unseres Besuches in Maadi wartet auf uns noch ein kleiner Imbiss, den die Schwestern für uns in ihrem Gartenparadies vorbereitet haben. Und somit bleibt auch noch etwas Zeit für Fragen, Gespräche und persönlichen Austausch. Tief beeindruckt und gestärkt an Leib und Seele müssen wir irgendwann dann doch Abschied nehmen.
In den folgenden Tagen werden wir noch viel von Ägypten sehen und erfahren. Als wir am letzten Abend Rückblick halten, gehört der Besuch in dieser grünen Oase bei den Schwestern von Maadi mit seiner Ruhe, dem gespürten Frieden und der Ausstrahlung von Herzlichkeit, Stärke und Liebe für viele zu den berührendsten Eindrücken der gesamten Reise.